MVO statt MRL - Nur keine Panik!
Andreas Schunkert • 9. Oktober 2025
Maschinenverordnung statt Maschinenrichtlinie – warum keine Panik angebracht ist
In den letzten Monaten liest man auf LinkedIn, in Fachforen und Newslettern immer häufiger Beiträge, die mit mahnendem Ton darauf hinweisen, dass „dringender Handlungsbedarf“ bestehe, weil die neue Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 die bisherige Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ablösen wird.
Viele selbsternannte „Sicherheitsexperten“ zeichnen dabei das Bild einer regulatorischen Zeitenwende – und wecken Unsicherheit in der Branche.
Doch wer die Inhalte der neuen Verordnung nüchtern analysiert, erkennt schnell: Für den klassischen Maschinenbauer besteht kein Anlass zur Panik.
1. Gleicher Inhalt, neue Nummern
Ein Großteil der Änderungen der MVO ist redaktioneller oder struktureller Natur.
So wurde etwa der frühere Anhang I („Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen“) zu Anhang III, während der bisherige Anhang IV („Maschinen mit besonderen Gefahren“) nun Anhang I ist.
Kurz gesagt: Die Inhalte wurden verschoben, nicht revolutioniert.
Für den praktischen Alltag in der Konstruktion, Dokumentation oder CE-Kennzeichnung bedeutet das:
👉 Bestehende Prozesse, Risikobeurteilungen und technische Dokumentationen bleiben weitgehend gültig und übertragbar.
2. Hochrisikomaschinen – ein Thema für sehr wenige
Eine der am meisten diskutierten Neuerungen ist die Einführung des Begriffs „Hochrisikomaschinen“. Diese erfordern künftig ein besonderes Konformitätsbewertungsverfahren.
Aber:
Ein Blick in die Liste der betroffenen Maschinentypen zeigt, dass 99 % der Maschinenbauer und Komponentenhersteller davon nicht betroffen sind.
Diese Kategorie zielt auf sehr spezifische Anlagen ab – z. B. Maschinen mit lernfähigen KI-Systemen in der Sicherheitssteuerung.
Für klassische Werkzeugmaschinen, Fördertechnik, Montageanlagen oder Sondermaschinenbau gilt: Alles bleibt beim Alten.
3. Digitale Betriebsanleitung – kein Zwang zur Digitalisierung
Ein weiteres Thema, das derzeit inflationär diskutiert wird, ist die „digitale Betriebsanleitung“.
Ja, die MVO erlaubt künftig die Bereitstellung der Anleitung in digitaler Form.
Aber:
Die Bereitstellung in Papierform bleibt zulässig. Wer also weiterhin eine Hardcopy mitliefert, erfüllt auch künftig alle Anforderungen.
Fazit:
👉 Kein akuter Handlungsbedarf, keine Pflicht zur Umstellung auf digitale Formate – sondern lediglich eine zusätzliche Option.
4. Technische Anpassungen mit Augenmaß
Einzelne inhaltliche Ergänzungen – wie etwa Anhang III, Punkt 1.1.9 „Schutz gegen Komprimierung“ – sind sicherlich erwähnenswert.
Doch auch hier handelt es sich nicht um eine Umwälzung des CE-Prozesses, sondern um eine sinnvolle Präzisierung bestehender Anforderungen.
Darüber hinaus überschneiden sich viele Themen mit anderen, bereits in Kraft tretenden Regelwerken – insbesondere dem Cyber Resilience Act (CRA), der im Bereich Cybersicherheit und Softwareintegrität weitaus tiefgreifendere Folgen für den Maschinenbau haben wird.
5. Der eigentliche Handlungsbedarf liegt woanders
Während also die MVO vor allem für strukturelle Klarheit und Rechtsvereinheitlichung sorgt, bringt der Cyber Resilience Act ganz neue Verpflichtungen mit sich – insbesondere für Maschinen mit vernetzter Steuerung, Software-Updates oder Remote-Funktionen.
- Hier entstehen neue Anforderungen an:
- Sicherheits-by-Design-Konzepte,
- Schwachstellenmanagement,
- Updateprozesse,
- Nachweisführung über Cybersicherheitsmaßnahmen.
👉 Das ist der wahre Anpassungsdruck, den die Branche im Blick behalten sollte.
6. Fazit: Gelassenheit statt Aktionismus
Die Maschinenverordnung bringt Ordnung, keine Revolution.
Wer heute die MRL korrekt anwendet, wird auch morgen mit der MVO konform sein.
Lassen Sie sich also nicht in Panik versetzen:
- Die meisten Änderungen sind formaler Natur.
- Hochrisikomaschinen betreffen fast niemanden.
- Die digitale Betriebsanleitung ist optional.
Und wer Ihnen jetzt „dringende Beratung“ verkaufen möchte, sollte erklären können, wo genau Ihr konkreter Handlungsbedarf liegt.
Viel wichtiger ist, den Blick auf die kommenden Cybersicherheitsanforderungen zu richten – dort entscheidet sich, wie zukunftsfähig Ihr Maschinenbau-Unternehmen wirklich aufgestellt ist.
Hier mein Schlussgedanke:
Die MVO ist kein Sturm – sie ist eine Brise.
Wer seine Hausaufgaben in Sachen CE-Kennzeichnung und Risikobeurteilung gemacht hat, kann ihr gelassen entgegensehen.
Aber beim Cyber Resilience Act sollten Sie genau hinschauen – denn dort zieht tatsächlich Wetter auf.